Huhn

Dioxine & Co. verfüttern – ganz legal

Wenn man bestimmte Schadstoffe in Lebensmitteln nicht möchte, sollte man sie nicht dazu fügen. Sagt der gesunde Menschenverstand. Europäisches Recht sagt was anderes: Man darf wissentlich mit Dioxinen, Blei & Co. kontaminiertes Futter verfüttern.

Bei meiner Recherche für die APP „Essen ohne Chemie (Plus)“ zu dem Stoff Nicarbazin, stieß ich auf den Futtermittelzusatzstoff Maxiban® G160, der 2010 von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als unbedenklich eingestuft wurde [1]. Maxiban® G160 enthält den Wirkstoff (Nicarbazin), der bei Hühnern gegen einzellige Parasiten (Kokzidien) wirkt und den antibakteriellen Wirkstoff (Narasin). Zusammen sollen die Stoffe bewirken, dass Hühner schneller fett werden. Das allein ruft angesichts des geltenden Verbots von Antibiotika zur Leistungssteigerung [2] bei Tieren bereits Verwunderung aus. Doch es kommt noch dicker.

Beim Weiterlesen des EFSA Berichts zur Unbedenklichkeit von Maxiban® G160 stößt man auf Seite 10 auf eine Tabelle (siehe Abbildung). In der Tabelle sind die Ergebnisse einer Rückstandsüberprüfung von Maxiban® G160 auf Dioxine und Schwermetalle dargestellt. Alle drei Chargen enthielten verhältnismäßig hohe Mengen an Dioxinen (angegeben als Toxizitätsäquivalent [3] [TEQ]), Blei und Arsen.

Maxiban_Tabelle_3

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Diese Stoffe verbleiben bzw. reichern sich in den gemästeten Broilern an und werden letztendlich von den EndverbraucherInnen mitverspeist. Die für das Endprodukt (das Fleisch) zuständige „Kontaminanten-Verordnung“[4] grenzt Schadstoffe in Futtermitteln nicht ein. In den Erwägungsgründen (Nr. 4) der Verordnung heißt es vage:

„(…) Bei Kontaminanten, (…) bei denen die derzeitige Exposition der Bevölkerung oder gefährdeter Bevölkerungsgruppen annähernd die tolerierbare Aufnahme erreicht oder diese übersteigt, sind die Höchstgehalte so niedrig festzulegen, wie in vernünftiger Weise erreichbar (…)“ Blei und Dioxine gehören genau in diese Kategorie der Kontaminanten [5].

Wenn man also „in vernünftiger Weise“ z.B. durch die Verfütterung von Maxiban® G160 an Hühner, auch Blei und Dioxine verfüttert, werden die erlaubten Höchstgehalte im Fleisch daran angepasst. Denn die „vernünftige Weise“ wird indirekt durch die Erlaubnis kontaminierter Futtermittel definiert. Wie hoch die erlaubten Schadstoffmengen [6] in Futtermitteln und Futtermittelzusatzstoffen sind, zeigt die folgende Tabelle.

Erlaubte Schadstoffhöchstgehalte in Futtermittel und Futtermittelzusatzstoffen

Unerwünschter StoffSpanne der Höchstgehalte je nach Art des FuttermittelsEinheit
Arsen2 - 100mg/kg
Cadmium 1 - 30mg/kg
Blei5 - 400mg/kg
Quecksilber 0,1 - 0,5mg/kg
Dioxine & PCB 1 -20ng/kg (TEQ)

Zwar sagt das Lebensmittelrecht aus, dass keine Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden dürfen, die die Gesundheit gefährden, aber diese Aussage ist wertlos ohne toxikologisch begründete Höchstgehalte.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt die Ergebnisse von Untersuchungen von Blutplasma von 2755 Menschen verschiedener Altersgruppen in Deutschland. Obwohl sich die Auswertung nur auf drei dioxinähnliche PCBs beschränkte, wurden bei 423 TeilnehmerInnen (15,4 %) die gesundheitlichen Grenzwerte überschritten[7]. Bei einer Untersuchung der gesamten Dioxinbelastung wäre dieser Anteil wohl deutlich höher.

Das bedeutet, dass die körperliche Belastung mit Dioxinen/PCBs hoch ist und dass für große Bevölkerungsteile die gesundheitlichen Limits längst überschritten sind. Mit der Zulassung von Futtermitteln und Futtermittelzusatzstoffen, die Dioxine und andere Schadstoffe enthalten, steigert man die Belastung unnötigerweise. Über Futtermittel werden der Nahrungskette fast unbegrenzt [8] Schadstoffe zugefügt. Das Lebensmittelrecht kann aufgrund seiner bedeutungslosen Definition der Höchstgehalte das vernünftige Maß der Aufnahme nicht bestimmen.

Hier liegt ein massiver Fehler im System vor, welches wirtschaftliche Interessen vor den Schutz der Verbraucherinnen stellt. Entweder muss die „Emission“ am Anfang der Nahrungskette eingeschränkt werden oder die Höchstgehalte dienen endlich dem Verbraucherschutz – momentan passen sie sich einfach der landwirtschaftlichen Praxis an.

Fußnoten & Quellen

[1] EFSA (2010): SCIENTIFIC OPINION Scientific Opinion on the safety and efficacy of Maxiban® G160 (narasin and nicarbazin) for chickens for fattening1 EFSA Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed (FEEDAP). EFSA Journal 2010; 8(4):1574. European Food Safety Authority (EFSA)

[2]Bereits seit Januar 2006 gilt EU-weit das Verbot, Antibiotika als leistungs-fördernde Futtermittelzusatzstoffe einzusetzen.“ https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/2013/070-Bundestag_AMGNovelle.html?nn=312878

[3] Dieses Äquivalent fasst Dioxine, Dibenzofurane und dioxin-ähnliche PCB zusammen.

[4] EC( 2006) Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. Konsolidierte Fassung

[5] Erwägungsgrund Nr. 52 der VO 1881/2006/EC: “Expositionsschätzungen, bei denen die im Juni 2000 abgeschlossene SCOOP-Aufgabe „Bewertung der ernährungsbedingten Aufnahme von Dioxinen und dioxinähnlichen PCB durch die Bevölkerung der EU-Mitgliedstaatenberücksichtigt wurde, lassen darauf schließen, dass ein beträchtlicher Anteil der Bevölkerung in der Gemeinschaft über die Nahrung Mengen zu sich nimmt, die über dem TWI liegen.“ (TWI = Tolerable wöchentliche Aufnahme). Für Blei wird davon ausgegangen, dass es keine tolerable Aufnahmemenge gibt.

[6] Konsolidierte Fassung vom 27.02.2015 der RICHTLINIE 2002/32/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 7. Mai 2002 über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung (ABl. L 140 vom 30.5.2002, S. 10)

[7] Schettgen T, Alt A, Esser A & Kraus T ( 2015): Current data on the background burden to the persistent organochlorine pollutants HCB, p,p -DDE as well as PCB 138, PCB 153 and PCB 180 in plasma of the general population in Germany. Int. J. Hyg. Environ. Health (2015), http://dx.doi.org/10.1016/j.ijheh.2015.02.006

[8] Es gelten zwar gesetzlich festgelegte Höchstgehalte für Einzelstoffe, aber bei der Festlegung wird keine Gesamtbetrachtung der Belastung vorgenommen – ein Tiermäster kann z.b. mehrere kontaminierte Futtermittel einsetzen. Bei sich akkumulierenden Stoffen müsste es eine Deckelung der Gesamtmenge geben.